Hamburger Spring- und Dressurderby in Klein Flottbek
17. – 20. Mai 2012
Wie jedes Jahr am Himmelfahrts-Wochenende fand in Hamburg das Spring- und Dressurderby in Klein Flottbek statt. Meine Dauerkarte hatte ich bereits Monate vorher erhalten und so war es klar, dass ich drei bis vier Tage auf dem Derby-Gelände verbringen würde.
Donnerstags ging es für mich los. Um 07:45 Uhr bei 3°C stand ich auf dem Zuschauerwall und sah den ersten Reiterinnen und Reitern beim Punktespringen mit Joker zu. Die Sprünge bereits bei dieser Prüfung auf einer Höhe von 1,50 m wurden von den noch frischen Pferden mit Freudenbucklern quittiert und man sah bereits hier, dass die Konkurrenz bei den Springreitern enorm war.
Ich verweilte doch nicht lange bei dieser Prüfung, denn eigentlich wollte ich erst einmal ein Auge auf die Abreiteplätze werfen und danach zur Dressur, dem Grand Prix de Dressage, weiter. Die Abreiteplätze hatten für mich schon immer eine besondere Anziehung. So trennt sich für mich dort bereits die Spreu vom Weizen. Gerade im Dressurviereck reißen sich die Reiterinnen und Reiter meist deutlich zusammen. Doch auf dem Abreiteplatz sieht man, wie die Pferde eigentlich für ihre Höchstleistungen trainiert werden.
Im letzten Jahr hatte ich den Eindruck, dass die diversen Diskussionen und Reportagen zum Thema Rollkur oder auch Low, deep and round (LDR) etwas gebracht haben und sich die Reiterinnen und Reiter wieder auf die klassischen Ausbildungsmethoden, ein Pferd mit weichen Hilfen, den Kopf etwas vor der Senkrechten, zurückerinnern. Doch in diesem Jahr wurde ich leider wieder eines Besseren belehrt. Im Laufe des Wochenende sah ich wieder vermehrt Pferde die mit an die Brust gezogenen Köpfen, sperrenden Mäulern deutlich hinter der Senkrechten abgeritten wurden. Häufig begleitet von riegelnden Reiterhänden und massiven Sporeneinsatz. Ein Armutszeugnis für die Reiterei. Wären da nicht einige Lichtblicke gewesen hätte ich mir im kommenden Jahr glaube ich überlegt mich wieder ans Viereck zu setzten. Positiv aufgefallen sind bereits vor der ersten Prüfung Hubertus Schmidt der seinen Fontane locker vorwärts-abwärts abritt oder auch Charlotte Haid Bondergaard aus Schweden, die mit Lydianus gleichmäßige Galoppwechsel ritt und der Wallach dabei entspannt abschnaubte. Auch sehr gut gefallen hat mir der für Columbien startende Raul Andres Corchuelo mit seinem 17 jährigen PRE Hengst Guserapo. Die Hand immer weich, der Kandarenzügel nur ein Minimum angenommen, das Pferd locker vorwärtsgehend. So sollte es auf dem Abreiteplatz aussehen.
Als die Prüfung begann fröstelte es mich bereits ordentlich. Das Wetter hielt sich zwar relativ gut, doch es war kalt und verflixt windig. Trotz dicken Wollpulli, Fliesjacke und langer Unterwäsche kroch mir die Kälte die Knochen hoch… Aber wie heißt es so schön: Alles was nicht tötet härtet ab…
Die Prüfung begann und ich war begeistert von dem PRE. Er machte seine Aufgabe wirklich gut. Leider schlichen sich in der zweiten Hälfte der Tour einige Fehler und Taktunreinheiten ein, so dass es letztendlich nur 61,511 % gab. Doch war es schön zu sehen, dass nun zusätzlich zu dem Lusitano Sal, es auch ein zweiter Iberer zum Dressurderby geschafft hat. Auffallen tun die Südländer auf jeden Fall zwischen den ganzen deutschen Warmblütern.
Die Prüfung schritt voran und man erkannte deutlich die Unterschiede zwischen den Reiterinnen und Reitern. Und vor allem die Unterschiede zwischen den Richternoten und meiner eigenen Auffassung von einem schönen Ritt. Ritte, die ich deutlich höher bewertet hätte wurden von den Richtern mit Bewertungen abgehakt, die sich später auf der unteren Hälfte der Rangliste wiederfanden. Sehr schade, dass exaltierte Bewegungen höher bewertet werden als akkurates Reiten. Ich möchte die Richterleistung gar nicht allgemein als schlecht bezeichnen, doch häufig für mich einfach unverständlich. Und es schien nicht nur mir so zu gehen. Hinter und neben mir hörte ich ähnliche Stimmen laut werden. Gewonnen hat diese Prüfung Hubertus Schmidt auf Lento vor dem Niederländer Aat van Essen auf Macrieder Premier und Kathleen Keller auf Wonder FRH. Diese drei qualifizierten sich auch für das am Sonntag statt findende 54. Dressur-Derby mit Pferdewechsel.
Nach der ersten Pause wurde es mir jedoch einfach zu kalt um weiterhin im Schatten im Wind zu sitzen und ich musste mich dringend bewegen, damit meine Füße, die in dicken Wollsocken steckten, wieder warm zu bekommen. Mein Weg lenkte mich zum Springplatz, wo gerade die 1. Qualifikation für das 83. Springderby stattfand. Als Abwechslung schaue ich mir immer ganz gerne mal Springen an. Auch wenn ich mir da immer wieder vor Augen halten muss, weder auf die Zäumung des Pferdes, noch auf die Reiterhand zu schauen. Denn dies ist oftmals beides grausig. Doch die Leistungen, die Pferd und Reiter hier miteinander vollbringen ist gigantisch. Und nur ein gutes Team kommt strafpunktfrei über den Parcours. In der 1. Qualifikation gab es auch Überraschungen. So siegte der Pole Oskar Murawski mit einer sensationellen Zeit vor dem Niederländer Michael Greeve und dem Amerikaner Richard Spooner. Eine Rangfolge, die wir so im drei Tage später stattfindenden Derby nicht finden sollten. Für Deutschland startende Reiter fanden sich unter anderen mit Nisse Lüneburg auf Rang 4, Torben Köhlbrand auf Rang 10, André Thieme auf Rang 18, sowie Judith Emmers auf Rang 39. Die vier Namen werden wir im Derby am Sonntag noch einmal wieder hören.
Der erste Tag endete für mich schon recht früh, komplett durchgefroren und auf wärmeres Wetter für die nächsten Tage hoffend…
Und meine Hoffnungen sollten erhört werden. Die Temperaturen stiegen am nächsten Tag stätig an. Im Schatten war es zwar noch etwas kühl, aber die Richtung war schon mal richtig. Den Freitag verbrachte ich damit mir einige Ritte der Nachwuchs-Grand-Prix-Pferde in der Intermediare II anzusehen, eine Springprüfung nach Fehlern und Zeit zu beobachten, die vielen Stände im Derbydorf zu durchforsten und natürlich die Abreiteplätze ins Visier zu nehmen. An diesem Tag vor allem auch den Abreiteplatz, der etwas abseits und fast uneinsichtig gelegen liegt. Fast idyllisch war hier die Stimmung, sah man nicht so genau hin, was die Reiter dort trieben. Als ich meine Kamera zückte und begann Fotos der einzelnen Reiter zu machen, die ihre Pferde riegelten, wurde ich mit so manchem genervten, fast bösen Blick bedacht. Gut so. Sollten sie sich ruhig beobachtet fühlen.
Am Samstag war dann meine Cousine Sina mit dabei. Gemeinsam sahen wir den Grand Prix Special und das U25 Dressur-Derby mit Pferdewechsel. Hierbei bekamen wir tatsächlich einiges an schönen Ritten zu sehen. Im Grand Prix stachen da im Besonderen die vier vorne Platzierten ins Auge. Hubertus Schmidt auf Lento, Bianca Kasselmann auf Weltklassiker, Hartwig Burfeind auf De Value und der Amerikaner Dennis Callin auf D´accord 58. Hier waren Sina, ich und die Richter uns einig. Diese Vier mussten vorne sein.
Im U25 Derby mit Pferdewechsel waren die drei jungen Reiterinnen super. Mit Prozenten zwischen knapp 73 und 67 waren alle dicht beieinander. Herausgestochen hat hier der 8-jährige Hannoveraner Hengst Eloy, der mit allen drei Reiterinnen die höchsten Prozente einlief. Christin Schütte gewann vor Franziska Hahn und Kathleen Keller verdient. Mit ihrem Eloy erritt sie auch die beste Runde mit 72,842 %.
Zwischen den Prüfungen zeigten sich in einem Schaubild noch einige Gelderländer aus den Niederlanden mit spektakulären Bewegungen. Das Publikum war begeistert und feuerte die Pferde und Vorführer zu immer höheren Leistungen an.
Bei schönstem Sonnenschein sahen wir uns danach noch einige Zeit den ersten Umlauf des Großen Preises von Hamburg an, flanierten durchs Derbydorf und verfolgten das Geschehen auf dem Abreiteplatz. Irgendwann am Nachmittag machten wir uns nach einem schönen Derby Tag auf nach Hause.
Den Derby-Sonntag verbrachte ich nicht in Klein Flottbek. Doch natürlich sah ich mir die Ausstrahlung des 83. Spring-Derbys im Fernsehen an. Das Starterfeld war hochkarätig, doch auch von vielen jungen, noch unerfahrenen Reitern durchzogen. Doch gerade diese vielen auf. Friso Bormann z. B. wurde wohl auf keiner Liste zu den Favoriten gezählt. Doch er errang mit A crazy Spirit einen herausragenden 4. Platz. Und auch die Amazonen hatten dieses Jahr sich einen Platz auf dem Treppchen erritten. Judith Emmers, in der 1. Qualifikation noch auf Rang 39 ritt mit einer unglaublich starken Runde und dem schnellsten 4-Fehler Ritt auf Platz 3. André Thieme, der in diesem Jahr mit Nacorde Derby-Geschichte schreiben hätte können, nämlich indem er zum vierten Male mit dem selben Pferd das Derby gewinnt, erreichte nach einem wirklich unglücklichen Konzentrationsfehler am Buschoxer Rang 5. Für Nacorde war es das letzte Derby. Im nächsten Jahr soll er zu dieser Zeit bereits seine Freizeit auf der Koppel verbringen und nicht mehr starten.
Die Plätze 1 und 2 wurden zwischen den Schleswig-Holsteinern Torben Köhlbrandt auf C-Trenton Z und Nisse Lüneburg auf Calle Cool ausgeritten. Beide schaften eine fehlerfreie Runde (in 83. Derby gibt es aktuell erst 148 fehlerfreie Ritte) und mussten ins Stechen. Torben Köhlbrandt und Trenton machten den Anfang und mussten vorlegen. Leider riss der Schimmel eine der Eisenbahnschranken (ein windiges Hindernis mit nur einer Stange in 1,57 m Höhe und schlecht zu taxieren für die Pferde). Nisse Lüneburg hatte somit die Möglichkeit auf einen Nullfehlerritt zu spekulieren und lenkte den erfahrenen Calle Cool mit viel Ruhe über die Hindernisse. Mit Erfolg. Kein Fehler im Parcours, aber ein Zeitstrafpunkt. Dieser wurde aber komplett ausgeblendet, denn der 23 – jährige Nisse Lüneburg siegte zum ersten Mal im Hamburger-Derby. Torben Köhlbrandt platzierte sich somit, wie schon im Vorjahr mit Trenton auf Rang 2.
Das Dressur-Derby mit Pferdewechsel, das Vormittags bestritten wurde, gewann Hubertus Schmidt mit Abstand vor Aat van Essen und Katleen Keller.
Meinen Glückwunsch an alle Sieger und Platzierten. Ich freue mich auf ein spannendes Derby im nächsten Jahr.
Sabrina Kitowski